JÜRGEN GOSCH
Vom Maurerlehrling zum
Krabbenkönig
von Manfred Engeser
14. Februar 2015
(die Widergabe erfolgt mit freundlicher
Genehmigung der WirtschaftsWoche)
Neue Tresen für Lachs, Krabben und Matjes, eine kleine Bäckerei und eine Probierstube zur Häppchen-Verkostung: Alles muss raus, alles muss neu bei Goschs Fischmarkt am Lister Hafen. Die Kernsanierung des 250 Quadratmeter großen Ladens hat gerade begonnen, die Wiedereröffnung ist für Mitte März geplant.
„Wir müssen umdenken, bevor es zu spät ist“, sagt Jürgen Gosch. Der, so schätzt er, für die Umbausumme „auch zwei Eigenheime auf dem Festland“ kaufen könnte. Warum er das Geld nicht lieber in ein neues Restaurant oder einen Imbiss steckt?
„Die Urlauber wollen immer häufiger in ihren Ferienapartments statt im Restaurant essen“, hat Gosch beobachtet. Also müssen sie einkaufen – und sich in Ruhe umgucken, mit dem Personal schnacken und gute Qualität zu passablen Preisen kaufen können.
„Das ist unsere Zukunft“, sagt Gosch. „Höchste Zeit, dass wir zur Sache gehen – wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer.“
Goschs Gesetze
1. Sei gierig
Stehe zu 100 Prozent zu deiner Idee. Verfolge mehrere Projekte gleichzeitig – gute Unternehmer sind gierig.
2. Vernichte die Konkurrenz
Konkurrenz belebt das Geschäft? Was für ein Quatsch! Konkurrenz bedeutet Bedrohung – und Ansporn, sie zu vernichten. Wie ein Hai, mit Haut und Haaren.
3. Lebe sparsam
Feiere deine Erfolge, aber steck das Geld nicht in privaten Luxus, sondern investiere so viel wie möglich in die Zukunft des Unternehmens.
4. Pfeif auf biedere Werbung
Anzeigen, TV-Spots, schriftliche Markenregeln? Überflüssig. Das beste Marketing findet direkt am Kunden statt. Der hat immer recht, denn er ist dein größtes Kapital. Widersprich ihm nicht, sondern sorge für sein Wohlbefinden. Nur wenn er sich gern an dich erinnert, kommt er wieder.
5. Entwickle dich weiter
Sei stolz auf das Erreichte, aber nie damit zufrieden. Sei offen für Neues, sonst drohen Stillstand und Rückschritt. Wer nichts wagt, ist feige – und verpasst die besten Chancen.
Seine Chancen wittern und konsequent nutzen, sich zur rechten Zeit weiterentwickeln, statt stur am immer Gleichen festzuhalten, das Angebot am Interesse der Kunden ausrichten, „denn der hat immer recht“.
So wie der Gründer und Eigner der Gastronomiekette Gosch gerade die nächste Entwicklungsstufe seines Unternehmens plant, hat er es immer wieder gehalten in seinem Leben. Und sich so im Laufe von fast fünf Jahrzehnten hochgearbeitet vom klammen Maurergesellen, der nebenbei in der Mittagspause und nach Feierabend Aale an Sylt-Touristen verkaufte, zum millionenschweren Alleineigentümer der Gastronomie- und Fischhandelskette Gosch Sylt.
Die ist längst weit über die Grenzen von Deutschlands nördlichster Insel hinaus bekannt und erfolgreich: Zu Gosch gehören heute 34 Imbissbuden und Restaurants zwischen dem Lister Hafen auf Sylt und dem Münchner Hauptbahnhof.
Beliefert werden sie mit täglich rund fünf Tonnen Lachs und Matjes, Seezungen und Krabben, Kabeljau und Heringen aus der eigenen Fischfabrik. Das Unternehmen mit dem roten Hummer im Logo gilt laut Verlag Deutsche Standards seit 2010 als „Inbegriff von Genuss und Atmosphäre“ und zählt zu den 100 bekanntesten Marken Deutschlands – die Gosch mit Dutzenden Produkten konsequent versilbert.
Mit 900 Mitarbeitern setzte Gosch 2013 über alle Kanäle laut der Fachzeitschrift „food-service“ gut 68 Millionen Euro um, nach Unternehmensangaben waren es 2014 fünf Prozent mehr als 2013.
„Ich bin kein Verlierertyp, wer nichts wagt, ist feige“, sagt Gosch. „Ein Unternehmer muss seine Chancen erkennen und nutzen.“
Gosch hatte eigentlich keine – genutzt hat er sie trotzdem, von frühester Kindheit an: Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen ohne Vater im nordfriesischen Küstenörtchen Tönning, muss Klein-Jünne schon mit vier Jahren mit Krabbenpulen das kärgliche Familieneinkommen aufbessern helfen.
Bis zu 20 Pfund der Schalentiere putzt er täglich, bis zu 40 Mark landen so Woche für Woche in der Familienkasse. Manchmal übernimmt er auch die Ration seiner Schwestern, die nicht so fingerfertig sind wie der Bruder, der es gut 40 Jahre später gar zum offiziellen Krabbenpul-Weltmeister bringen sollte.
Herrscher des Müllbergs
„Ich war so flink, weil ich schnell auf den Fußballplatz wollte“, erinnert sich Linksaußen Gosch, mit zwölf Jahren in Nordfriesland „Talent des Jahres“. Noch besser als kicken kann er etwas anderes: „Ich wusste immer, wie ich Geld verdienen kann.“
Zum Beispiel beim Murmelspielen gegen die Mitschüler. Auch beim Sammeln von Altmetall ist er so geschickt, dass er im Dorf bald als „Schietbargkönig“ gilt – der Herrscher des Müllbergs. Goschs Trick: Statt auf der Müllkippe sucht er schon am Straßenrand nach Wiederverwertbarem, bevor die Müllabfuhr den Abfall einsammelt und zur Deponie bringt. Oft hilft Gosch junior auch den Fischern beim Ausladen des Fangs.
Erst etwas Vernünftiges lernen
Am liebsten möchte auch er zur See fahren. Weil aber seine Mutter will, „dass der Junge erst mal was Vernünftiges lernt“, wird Jünne nach Abschluss der Hauptschule Maurer. Weil „jede Mark zählt“, arbeitet er schon während der Lehre auch nach Feierabend und an den Wochenenden.
Als Geselle – Wochenlohn für eine Sechs-Tage-Woche 150 Mark – verschlagen ihn Aufträge nach St. Peter-Ording und Helgoland. Und, Mitte der Sechzigerjahre, auch nach Sylt, wo er Bauprojekte beaufsichtigen soll. Und in den Mittagspausen im Lister Hafen im Nordosten der Insel feststellt, dass die Fischer zwar frische Krabben im Angebot haben, die Touristen aber immer wieder vergeblich nach Räucheraal fragen.
„Klare Marktlücke“, denkt sich Gosch. Besorgt sich am nächsten Tag in einer Räucherei in Husum 50 Aale, investiert 20 Mark in einen Korb und Verpackungsmaterial und legt los: Verkauft Räucheraal in der Mittagspause am Lister Hafen und nach Feierabend in den Kneipen der Insel, für vier Mark pro Tier.
Die Rechnung geht auf: Schon am ersten Tag hat Gosch seine Investition drin, ist mit Mitte 20 „Jungunternehmer ohne Schulden, ohne Druck – aber mit jeder Menge Spaß“.
Aale für die Sylter Nackedeis
Und einträglichem Zusatzeinkommen: Mit seinen Aalen verdient Gosch so viel, dass er ein paar Monate später den Maurerjob aufgibt – was er bis heute „die beste Entscheidung meines Lebens“ nennt. Und künftig als Aal-Jürgen hauptberuflich mit Bauchladen über die Insel zieht.
Auch zu den Dünen der berühmten Buhne 16 vor Kampen, wo sich damals Promis wie Gunter Sachs oder Curd Jürgens am FKK-Strand aalen. Weil ihm das Stapfen durch den tiefen Sand mit den schweren Fischen bald zu mühselig wird, sucht sich Gosch ein günstiges Plätzchen, besorgt sich eine Bimmel, preist seine Ware in eigenwillig gereimtem Jodelsingsang an („frisch aus dem Rauch, schon in den Bauch“). Oder kurbelt den Verkauf mit einem Witzchen an: „Woran erkennt man, ob ein Aal männlich oder weiblich ist? Die weiblichen liegen auf dem Rücken, die männlichen erschöpft auf der Seite.“
Weil er vorab bewusst ein wenig aufschlägt, kann er sich von den Kunden, die schon mal nackt vor ihm stehen, immer ein bisschen runterhandeln lassen, ohne Geld zu verlieren – aber immer mehr Käufer gewinnen.
Bis zu 200 Kilo Aal verkauft er täglich, 17-Stunden-Tage sind in der Hochsaison keine Seltenheit, nachts schläft er in seinem Auto – die restlichen Aale verstaut er hinter sich, seine Einnahmen unterm Sitz, oft ein paar Tausend Mark.
Weil er das Geschäft als fliegender Aalhändler nach fünf Jahren dennoch für ausgereizt hält, lässt er sich 1972 mit einem improvisierten Verkaufsstand am Lister Hafen nieder: ein zwei mal zwei Meter großer Anhänger, mit Holz und bunten Blechschildern verkleidet.
„Nördlichste Fischbude Deutschlands“ nennt Gosch seinen Stand – Beginn einer mehr als 40-jährigen Erfolgsgeschichte. Auch weil er seine Fischbrötchen zur Belustigung der Gäste wie ein anarchistischer Marktschreier anpreist – „das Wörtchen nein habe ich damals aus meinem Wortschatz gestrichen“. Weil er die Reichen und Schönen mit seinen flotten Sprüchen auf den Arm nimmt und sein Angebot stets findig improvisierend im Handumdrehen erweitert.
Ein Kunde will den Fisch im Brötchen? Erfindet Gosch eben kurzerhand das Matjes- und Krabbenbrötchen. Ein anderer wünscht ein Salatblättchen als Dreingabe? Kein Problem, Gosch fügt es hinzu.
Wieder ein anderer mag gar keinen Fisch? Schmiert er ihm eben ein Marmeladenbrot. Einer Kundin schmeckt die Kartoffelsuppe der Konkurrenz nicht? Holt sich Gosch eben unbemerkt eine Portion von eben jener Bude, verfeinert sie mit Krabben und Knoblauch, serviert sie in edlem Porzellan, verlangt 50 Pfennig mehr – schon gilt der Frau die Kartoffelsuppe als beste auf ganz Sylt.
So wie seine „wahre Fischsuppe, ohne Fisch und ohne Gräten“ – ein Mix aus Schnaps und Zitronenlimo, mit der Gosch die fehlende Alkohollizenz umgeht. Als die Hafenpolizei ihm mit Rauswurf droht, lädt ihn der Gemeinderat zur Verköstigung ins Rathaus ein – und erteilt Gosch nach diversen Probierrunden die Alkohollizenz. „Kleine Tricks“, sagt Gosch, „machen den Unterschied.“
Fatale Preisschlacht
Das muss auch ein alteingesessener Fischer feststellen, der mit „fangfrischen Krabben vom eigenen Kutter“ eigentlich die bessere Ware hat, die er von einem modernen Verkaufsstand unters Volk bringt. Sich dennoch auf eine fatale Preisschlacht mit Gosch einlässt. Und nicht merkt, dass der freche Newcomer seine Kunden bittet, dem Platzhirsch alle Krabben zum angebotenen Dumpingpreis abzukaufen und sie ihm zu bringen.
Ist der Konkurrent auf diese Weise seine Ware los, erhöht Gosch die Preise wieder auf Normalniveau. Und luchst dem eigentlich verkaufsunwilligen Nachbarn schließlich den ganzen Laden ab – Goschs Köder: ein Koffer voller Geld, den er über Nacht in dessen Obhut gibt.
„Konkurrenz belebt nicht das Geschäft, Konkurrenz kann ich nicht leiden“, sagt Gosch. „Ich verdiene gerne Geld, gute Unternehmer sind gierig.“
Nordfriesisches Schlitzohr
Gosch verachtfacht seine Verkaufsfläche im Lister Hafen – sein Mutterschiff, wie Gosch die Bude nennt, entwickelt sich dank guter Küche zu bezahlbaren Preisen und seiner Sprüche binnen kurzer Zeit zur Goldgrube.
Und ist bald nicht mehr sein einzige Standort auf Sylt: Mit Unterstützung seiner Mutter und seiner zweiten Frau, die sich bis heute um die Zahlen im Unternehmen kümmert, eröffnet er eine Filiale in Westerland und baut eine abbruchreife Bootshalle mit maritimem Flair zu einem der beliebtesten Treffpunkte auf der Insel aus. Tausende Gäste gehen schon Anfang der Neunzigerjahre täglich bei Gosch ein und aus, spülen Millionen in seine Kassen.
Warum ausgerechnet Gosch in dieser Zeit so unaufhaltsam wächst?
Auch weil das nordfriesische Schlitzohr auf der Insel die richtigen Kontakte geknüpft hatte: Die Gemeinde List kommt ihrem größten Steuerzahler bei Immobiliengeschäften entgegen.
Die Beschwerde einer Konkurrentin beim Bauamt in Husum versandet, der zuständige Beamte ist ein Schulfreund Goschs. Dem Chef des Lister Ordnungsamts, einem Hobbymusiker, sponsert Gosch die Produktion einer CD „mit einer kleinen Summe“.
Auch weil er scharf kalkuliert: An der Fischbörse jagt er den besten Preisen hinterher, die Scampi lässt er aus Asien kommen, die Krabben in Polen pulen, das Personal führt er mit strenger Hand.
Auch weil er Fehler schnell korrigiert: Ob Mitarbeiter, Lieferanten oder Restaurantkonzepte – Goschs Devise lautet stets: „Was nicht läuft, kommt weg.“ Etwa ein reines Pasta-Lokal, das er mangels Erfolg schnell wieder zumacht. Oder „die sündigste Fischbude der Welt“, wie Gosch die vor anderthalb Jahren im Café Keese auf der Hamburger Reeperbahn eröffnete Filiale nannte – bis er sie im Herbst 2014 wegen zu hoher Kosten wieder schloss. Aber auch die erste Ehe, die Gosch nach wenigen Jahren beendet. Oder eine Steueraffäre, unter die er per Selbstanzeige und einer Zahlung beim Finanzamt einen Strich zieht.
Erfolg aber hat Gosch vor allem, weil die Kunden die Atmosphäre vor und in seinen Buden lieben: „Von klassischem Marketing halte ich nicht viel“, sagt Gosch, der jahrelang eine gebrauchte, nach seinen Plänen für einen sechsstelligen Betrag zur Bar auf Rädern umgebaute, acht Meter lange US-Stretch-Limousine mit Gosch-Logo durch Deutschland touren ließ. „Die beste Werbung ist der Dienst am Kunden.“
Ob einer nur ein Matjesbrötchen auf die Hand mitnimmt oder ein Promi drei Pullen Champagner ordert – Gosch hat für jeden Gast einen munteren Spruch auf den Lippen. Ein Wirt zum Anfassen, der zur rechten Zeit eine Flasche Wein ausgibt – weil er weiß, dass das die Runde zum Bleiben und Bestellen animiert („Solange einer bei mir sitzt, kauft er nicht bei der Konkurrenz“).
Der die Gäste fragt, ob die Suppe auch heiß und der Fisch gut gewürzt war. Der sich nicht zu schade ist, hinterm Tresen ein Filet in die Pfanne zu hauen, Geschirr abzuräumen oder einen Tisch abzuwischen. Der stets Zeit hat für ein Erinnerungsfoto oder ein Autogramm. Der schon mal eine Magnumflasche Schampus mit dem Säbel köpft. Und viele Jahre trotz mäßiger Stimme fast jeden Abend zum Mikrofon greift, ein paar Liedchen trällert und auf CD pressen lässt.
Simple Songs wie „Ein Matjes passt in jedes Portemonnaie“, mit dem er es 1994 gar bis auf Platz zwei der Norddeutschen Hitparade schafft. Und im selben Jahr mit einer skurrilen Wette – das Errichten eines Torbogens – bei „Wetten, dass...?“ – einem Millionenpublikum bundesweit bekannt wird.
Aale vor dem Kölner Dom
Zu diesem Zeitpunkt ist dem Maurer aus Tönning die Schickimicki-Insel Sylt längst nicht mehr genug: Nachdem er schon von 1976 bis 1982 im Herbst und Winter seine Aale etwa vor dem Kölner Dom und in der Düsseldorfer Altstadt feilgeboten hatte, um sich vom Sylter Sommertourismus unabhängiger zu machen, expandiert Gosch aufs Festland. Eröffnet 1988 eine erste Filiale am Hamburger Bahnhof, ein Jahr später eine weitere in Bremen.
Damals steigt Gosch auch in den Versandhandel ein, der heute als Online-Shop läuft. Über den bietet Gosch nicht nur Leckereien von der Fischsuppe für 6,90 Euro bis zum Festtagslachs für 70 Euro. Längst prangt der rote Hummer, seit 1989 offizielles Firmenlogo, auch auf Schlüsselanhängern (7,50 Euro), Smartphone-Hüllen („Haiphone“, für knapp 15 Euro) oder Weinkühlern (13,20 Euro).
Allein von seinem Maskottchen, ein roter Plüschhummer, den er stets werbewirksam aus der Brusttasche seines Kochkittels lugen lässt, hat Gosch nach eigenen Angaben bis heute mehr als 230 000 Stück verkauft – heutiger Preis: 3,20 Euro. Selbst einen von ihm entworfenen Strandkorb mit Bullaugen vertreibt Gosch, für 5900 Euro.
Seit 2012 beliefert er außerdem norddeutsche Supermärkte mit fertig gemischten Feinkostsalaten – schon im ersten Jahr verkaufte er davon anderthalb Millionen Portionen.
250 Tonnen Matjes pro Jahr
Um alle Verkaufsstätten auf Insel und Festland, die Supermärkte und den Versand in Eigenregie optimal mit Fischprodukten zu versorgen, baut Gosch 1994 in Ellingstedt bei Schleswig eine eigene Fischfabrik auf. 2014 wurden hier gut 1000 Tonnen Fisch verarbeitet, darunter 250 Tonnen Matjes in Salzlake eingelegt und mit einem Schuss Rote-Beete-Saft zartrosa eingefärbt, 250 Tonnen Lachs filetiert, geräuchert und gebeizt und 150 Tonnen Scampi verarbeitet. Auch Rezepte für Marinaden entwickelt Gosch hier – oft angeregt durch Tipps seiner Gäste.
Um finanzielles Risiko und organisatorischen Aufwand für den nächsten Expansionsschritt zu minimieren, vergibt Gosch 1992 erstmals und ab 2000 zunehmend neue Standorte in Franchise-Lizenz – derzeit sind es 25 Betriebe, darunter auch Restaurants auf drei TUI-Kreuzfahrtschiffen, dem 2015 ein viertes folgen soll. „Dann fährt Gosch über die ganze Welt.“
Am liebsten aber ist ihm ein Laden direkt vor seiner Haustür in Wenningstedt-Braderup: „Jünnes Düne“, wie Goschs größtes Projekt im Sylter Volksmund heißt. Ein Restaurant mit Platz für bis zu 300 Gäste direkt am Sylter Roten Kliff, der gut 50 Meter hohen, unter Naturschutz stehenden Steilküste zwischen Kampen und Wenningstedt: Große Fensterfronten geben den Blick frei auf Strand und Meer, den auch Gosch fast täglich genießt.
Nach dem obligatorischen Frühstück mit seiner Frau, zu dem er oft schon die erste Portion kalten Fisch verspeist, einem ausführlichen Telefonat mit dem Leiter der Fischfabrik und dem Studium diverser Wetterberichte („der dänische ist oft am genauesten“) schaut er spätestens ab 11 Uhr in seinem Lieblingsladen nach dem Rechten. „Noch zwei, drei Jahre“ will der 73-Jährige das tun, dann das Unternehmen endgültig an Tochter Anja übergeben, die bereits vier Restaurants in Westerland führt.
„Die Arbeit macht mir zwar immer noch Spaß“, sagt Gosch, der immer wieder Verkaufsangebote abgelehnt hat, zuletzt von polnischen und arabischen Investoren. „Aber ich will aufhören, bevor ich mich vor den Leuten zum Kasper mache.“
Und mehr Zeit für seine Reisen haben, die ihn schon in viele Ecken der Welt geführt haben: nach Australien, wo Sohn Björn gerade in Meeresbiologie promoviert. Zu Süd- und Nordpol, nach Indien zur Ayurveda-Kur oder in die Südsee. Dann fliegt er Businessclass, ordert Champagner, bucht noble Suiten in Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen.
Lenkrad voller Fischfett
„Reisen ist der einzige Luxus, den ich mir gönne“, sagt Gosch, der dienstlich stets Economy fliegt, für Übernachtungen selten mehr als 80 Euro ausgibt und bis heute statt mit seiner neuen Limousine aus Stuttgart („die ganzen Knöpfe überfordern mich“) lieber in seinem klapprigen Golf über die Insel fährt.
Eines der Vorgängermodelle hatte 16 Jahre auf dem Buckel, „das Lenkrad war wegen des Fischfetts an den Fingern frei von Kunststoffbeschichtung“, erinnert sich Gosch-Prokurist Michael Lorenzen, „die Fahrertür musste man unterwegs mit einer Hand festhalten.“
Lieber als in neue Autos investiert Gosch Geld ins Unternehmen, „ich will meinen Kindern ja keinen Schrotthaufen hinterlassen“. Wobei er seinen größten Wunsch für Geld gar nicht kaufen kann: „Wenn es nicht mehr Fisch-, sondern Goschbrötchen heißt – dann haben wir es geschafft.“
(die Widergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung der WirtschaftsWoche)